Germersheim ist eine romantische Fachwerkstadt wie aus dem Reiseprospekt: Stadtmauer mit Türmchen, die Grafenburg mit Kapelle, die Stadtkirche. Jedenfalls zeigt der Merianstich von 1645 das Städtchen so. Doch als Paul Josef Nardini 1821 zur Welt kommt ist von dieser Herrlichkeit nichts geblieben. Gelitten hatte sie im Dreißigjährigen Krieg, vollständig zerstört hat sie der Französisch-Niederländische Krieg, in dem auch andernorts gewütet und gebrandschatzt wurde. Dieser Schicksalstag war an „Jacobi 1674“, also am 25. Juli. Nur drei Familien blieben nach dieser Schreckenszeit – der weitere im 18. Jahrhundert folgen sollten.
Am Jakobi-Tag 1821 wurde Nardini geboren. Germersheim war damals ein Nest. Am Rhein gelegen, wurde es von diesem mehr als einmal bedroht. Außer seinen willfährigen Wassern und Sümpfen hielt der Fluss noch einen Schrecken bereit – Schnaken und Fiebermücken. Das alltägliche Leben war beschwerlich – auch wenn in den Jahren um Nardinis Geburt in der politischen Großwetterlage wieder Ruhe eingekehrt war: Germersheim gehörte mit der Pfalz zu Bayern.
Während Nardinis Kindheit wurden einige Weichen gestellt, die die Kreisstadt heute noch prägen: Etwa ab 1817 die Rheinbegradigung durch Tulla, ein Segen für den Landstrich am Strom. Oder der Festungsbau. Hier ergibt sich eine direkte Verbindung zu Nardini, denn sein leiblicher Vater war als Festungsbauoffizier zu Planungen für die Forts und Umwallungen in die Stadt gekommen. 1820 waren es wohl erste Sondierungen, wie das Gelände für ein solches Projekt tauge. Es taugte: 1834 wurde der Startschuss für den militärischen „Umbau“ der Siedlung gegeben. Weder zum ersten, noch letzten Mal: Zur Römerzeit war bei Germersheim ein Soldatenlager – noch heute ist die Bundeswehr ein wichtiger Arbeitgeber.
Der junge Paul Josef hat die Bauarbeiten an der Festung, die das gesamte Umfeld umwühlten, miterlebt. Der Augenzeuge, Heimatdichter und Pfarrer Friedrich Blaul verglich diese angesichts der Heerscharen von Festungsarbeitern anschaulich mit dem Bau der ägyptischen Pyramiden. Man kann sich nur vorstellen, welche Verhältnisse unter diesen Arbeitern geherrscht haben müssen. Vielleicht hat der Junge einen wachen Blick für diese Nöte entwickelt, der dem späteren Seelsorger zum Antrieb wurde. Aber sicher ist eines: ohne Festung kein Nardini.
Bayern hatte für den Festungsbau große Geldsummen in die Stadt gepumpt. Für den Ort war das zunächst ein Segen. Die Bevölkerung verdoppelte sich. Es kamen Arbeit, Kleinhandwerk (zum Beispiel Bierbrauereien) und neuer Glanz. Dass die Festung schon bei Fertigstellung veraltet war, nie einer Belagerung standgehalten hätte und bald die Stadt in ihrem Entwicklungsdrang behinderte, steht auf einem anderen Blatt. Immerhin kam mit den Gulden für die Festung auch Geld für die Pfarrkirche St. Jakobus. Deren Patrozinium erinnert daran, dass die Stadt an einem Pilgerweg nach Santiago de Compostela liegt.
In St. Jakobus wurde Nardini getauft, besuchte die Messe, empfing die Erste Heilige Kommunion. Allerdings hat sich seit dieser Zeit an der St.-Jakobus-Kirche vieles verändert. Bis 1865 wurde ihr Langhaus deutlich vergrößert, der heutige Kirchturm wurde zuvor errichtet. Im Anschluss an diese Arbeiten erhielt die Jakobuskirche auch eine neue Innenausstattung. Es ist also nicht sicher, was aus der Zeit Nardinis in der Kirche noch original erhalten ist. So auch der Taufstein. Da er mehrfach überarbeitet und restauriert wurde, kann man derzeit nicht sagen, ob an ihm Paul Josef Nardini getauft wurde. Es ist immerhin möglich.
Betrachtet man jedoch das Umfeld der Kirche, findet man noch viel Originales – etwa das ehemalige Kloster der Franziskaner. Es schließt sich direkt an die Kirche an. 1793 wurden die Mönche von französischen Revolutionstruppen vertrieben. Im heute denkmalgeschützten Areal befanden sich zunächst die Militärbäckerei, zu Nardinis Zeiten eine Kaserne mit den bayrischen Soldaten und heute das Pfarrzentrum. Für die Bayern standen bald genügend andere Kasernen bereit. Also richtete man im 20. Jahrhundert die Volksschule hier ein.
Apropos Schule: Während vom Geburtshaus Nardinis in der Jakobstraße 4 nichts erhalten ist (eine Tafel an einem Nachfolgebau erinnert seit 1981 an ihn), findet man in derselben Straße noch die Schule Nardinis. Heute ist hier, im Eckhaus zwischen Jakobsstraße und Eugen-Sauer-Straße, die Stadtbibliothek untergebracht. Ehe der junge Mann nach Speyer zur weiteren Schulbildung ging, besuchte er auch die Lateinschule in diesem Haus. Eine andere Schule erinnerte seit 1978 bereits an den künftigen Seligen – die Nardini-Schule ist eine Einrichtung für lernbehinderte Kinder und Jugendliche.
Hier die Online-Andacht zum Gedenktagam 27.1. 2021
Die Nardini-Homepage des Bistums Speyer informiert umfangreich über Leben und Wirken von Paul Josef Nardini.
DIe Webseite der Mallersdorfer Schwestern finden Sie hier