Montag, 23. März 2015

Wir sind Sternenstaub

Foto: Lenz

Mit einem besonderen Abend ist am Freitag die Weihe der katholischen Kirche St. Martinus vor 175 Jahren gefeiert worden. Clemens Bittlinger und der Astrophysiker Andreas Burkert haben das Publikum in Lingenfeld mit Musik und einem Blick in die Unendlichkeit konfrontiert.

Die Kirche warmehr als voll, im Mittelgang und an den Seiten hatten die Veranstalter zusätzliche Stühle aufgestellt. Josef Arnold, Mitglied im Pfarreirat, hatte das Ganze organisiert und sagte: „Wir hätten noch gut 30, 40 Karten zusätzlich verkaufen können, aber mehr ging wirklich nicht.“ Ein voller Erfolg also.

Obwohl bei einem Abend mit Clemens Bittlinger, evangelischer Pfarrer mit Sonderauftrag, sehr viel gesungen und musiziert wird, und keineswegs nur von ihm allein, sind das eher Gottesdienste als Konzerte. Sein Thema ist die Glaubensverkündigung – und wie man mit Jesus durchs Leben kommt. Sein spezielles Thema an diesem Abend war das Staunen über die Schönheit und die kaum mit dem menschlichen Verstand zu erfassende Größe des Universums.

Der Astrophysiker Andreas Burkert lehrt und forscht an der Ludwig-Maximilian-Universität München über die Entstehung von Galaxien, von Sternen und Sternenhaufen. Für einen Wissenschaftler eher ungewöhnlich, kann Burkert auch fesselnd und anschaulich über sein Forschungsgebiet, das sich nahe an der Unendlichkeit bewegt, erzählen. Das tat er an dem Abend in Lingenfeld, trotz seiner Erfahrung immer noch voll Staunen, gestützt durch Animationsfilme und Schaubilder. Die Milchstraße und andere Galaxien, die Geburt von Sternen in Sternenhaufen und ihr Sterben, erst als Roter Riese, der seine Planeten verschlingt, dann als Weißer Zwerg bis sie zum Schluss als Supernova in grandioser Schönheit explodieren.

Dieses Schicksal erwartet auch unsere Sonne, allerdings erst in ungefähr 13 Milliarden Jahren. Bilder von solchen Explosionen, aufgenommen etwa vom Hubble-Weltraumteleskop, waren Teil von Burkerts Weltraum-Erzählungen. Eine Supernova schleudert Materie in den Weltraum, Sternenstaub, der zur Grundlage von neuen Sternen wird. Und die Pointe des Abends: Die häufigsten Elemente dieses Sternenstaubs sind auch die Elemente, aus denen wir, die Menschen bestehen. Wir sind Sternenstaub.

Die Filme voll tanzender Himmelsphänomene begleiteten die Musiker, neben Bittlinger der Schweizer Pianist David Plüss und Matti Dörsam mit Klarinette, Saxofon und Querflöte, mit freien instrumentalen Improvisationen; „jeden Abend neu“, wie Bittlinger verriet. Sein Part an diesem Abend war, mit seinen Liedern die Verbindung von den Weltraum-Ausflügen zu uns Menschen und zu unserem Alltag herzustellen. So singt er davon, ab und an den Blick auf Sterne und Ewigkeit zu richten, um unseren Alltags-Hickhack richtig einzuordnen: „Langsam durch die schnelle Zeit, zieht der Geist der Ewigkeit, schaut sich die Termine an, fragt sich: Sag, wann lebst du, wann?“ Oder auch: „Aus Sternenstaub sind wir gemacht, in unseren Augen lebt ein Glanz. Aus Liebe wurden wir erdacht im großen Schöpfungstanz.“

Die Texte der Refrains wurden jeweils an die Leinwand geworfen zum Mitsingen. Zusammen zu singen, wenigstens den Refrain, gehört nämlich unbedingt zu einem Abend mit Clemens Bittlinger und vermittelt ein wenig Kirchentagsatmosphäre. Die Bild-Erzählungen vom Weltraumwaren hier allerdings so überwältigend, dass es immer ein wenig Zeit brauchte, bis die Zuschauer und -hörer wieder angekommen waren im Kirchenschiff, das sich zeitweise in eine Art Raumschiff verwandelt hatte.

Andrea Dölle